No pasarán – Dem Naziaufmarsch am 13. Februar 2010 entschlossen entgegentreten
Am Ort der Geschichte
Entschlossen entgegenstellen – gemeinsam blockieren!
Wir rufen alle Antifaschistinnen und Antifaschisten dazu auf, am 13. Februar dem Naziaufmarsch in Dresden entschlossen entgegenzutreten und ihn gemeinsam zu blockieren!
In dem bundesweiten Bündnis No pasarán! haben sich verschiedene linke und antifaschistische Gruppen zusammengeschlossen, um dem jährlich stattfindenden Nazigroßaufmarsch endlich ein Ende zu bereiten.
Mehr Infos hier: http://no-pasaran.mobi
Seit der Jahrtausendwende marschieren Alt- und Neonazis zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg durch die Stadt. In den letzten Jahren hat sich der Aufmarsch zur größten regelmäßigen Neonaziveranstaltung Europas entwickelt. Bei dem Aufmarsch der NPD und der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) finden sich alljährlich die verschiedenen Spektren der extremen Rechten zusammen, internationale Delegationen geben ihm eine über Deutschland hinaus gehende Bedeutung. In der gemeinsam zelebrierten Trauer verschwinden für einen Tag alle szeneinternen Streitigkeiten.
Bei dem Aufmarsch geht es den Neonazis nicht etwa um Repräsentanten des NS-Regimes oder um die Toten von Wehrmacht und Waffen-SS, sondern um ein konstruiertes Kollektiv unschuldiger deutscher Opfer. Der Bezug auf den Nationalsozialismus verläuft dadurch mehr oder weniger indirekt: Der Angriff auf Dresden sei ein Angriff auf das „deutsche Volk“ gewesen und damit gleichzeitig auf das „wahre Deutschland“, welches wiederum gleichbedeutend ist mit dem Nationalsozialismus. Im gedachten nationalsozialistischen Kollektiv von damals bis heute werden die Toten für die Neonazis zu „ihren“ Toten, sie werden zu Stellvertreterinnen und Stellvertretern des nationalsozialistischen Systems. In ihnen sehen Neonazis das Subjekt ihrer Trauer um das zerschlagene „Dritte Reich“.
Gleichzeitig gelingt mit dem Bezug auf die Bombardierung eine Feindkonstruktion nach Außen. Die Alliierten werden dargestellt als verbrecherische Siegermächte, die zum einen den Nationalsozialismus heimtückisch zu Fall gebracht hätten und zum anderen daran anschließend Deutschland das „BRD-Lügensystem“ oktroyiert hätten. Dadurch erhält der Mythos Dresden aus neonazistischer Sicht eine ungebrochene Aktualität.
Genau deshalb reicht es nicht, einfach den Kopf zu schütteln über die „ewig Gestrigen“. Der Bezug auf die Vergangenheit ist aktuell politisch relevant und wichtig für die Identitätsbildung der Nazis. Umso wichtiger, ihnen am 13. Februar einen Strich durch die Rechnung zu machen!
Alte Mythen, neuer Aufguss
Als Mythos hält sich die Geschichte von der Bombardierung Dresdens hartnäckig. Obgleich er im Laufe der Jahre verschiedene Wandlungen durchgemacht hat, war seine jeweilige Deutung stets eine politische. So diente die Bombardierung teilweise auch im bürgerlichen Lager der Relativierung der deutschen Kriegsschuld und dem Aufbau eines deutschen Opferbildes.
Kern des Mythos ist die Legende von der „unschuldigen“, „einzigartigen“ Stadt, die „aus heiterem Himmel“ Opfer einer „einzigartigen“ Katastrophe durch alliierte Bomber wurde. In den letzten Jahren wurde der Mythos des „alten Dresdens“ als einzigartige Kulturstadt jedoch zur Marke Dresden umgebaut. Um das neue „Elbflorenz“ für TouristInnen und StadtvermarkterInnen attraktiver zu gestalten, wurde dem Image ein neues Element hinzugefügt. Neben dem Bild des Mythos vom alten Dresden trat nun der Wiederaufbau der Frauenkirche und damit die Inszenierung der Versöhnung.
Auch wenn sich der Umgang mit der Bombardierung in den letzten Jahren verändert hat: Es ist kein Zufall, dass Neonazis jedes Jahr ausgerechnet in Dresden aufmarschieren. Dresden war nicht die einzige Stadt, die von Luftangriffen betroffen war. Doch hier können Neonazis in besonderer Art und Weise politischen Profit aus dem seit Jahrzehnten gewachsenen internationalen Symbol und den darin gepflegten Mythen ziehen.
Über die Normalisierung nach Innen …
Nach der sogenannten Wiedervereinigung verstärkte sich die Suche nach vermeintlicher Normalität, zu der auch die Wiederentdeckung als Opfer der Geschichte gehörte. Bücher wie „Der Brand“ oder „Im Krebsgang“ prägten einen gesellschaftlichen Diskurs, der in Guido Knopps Fernsehdokumentationen über das „Leid der Deutschen“ seine breitenwirksame Inszenierung fand.
Heute geht es in geschichtspolitischen Debatten vornehmlich um eine zeitgemäßere Interpretation der deutschen Vergangenheit. Dabei wird die deutsche Schuld sehr wohl eingeräumt, gleichzeitig jedoch auf eine gesamteuropäische Verantwortung verwiesen. In einem europäischen Jahrhundert von Krieg, Gewaltherrschaft und Vertreibung gehe es darum, die Vergangenheit gemeinsam zu bewältigen. Initiativen wie das „Zentrum gegen Vertreibungen“ versuchen uns weiszumachen, dass in Leid und Schmerz schließlich alle gleich seien. Die Erkenntnis, dass alles irgendwie ganz schlimm war, vernachlässigt die politisch-historischen Zusammenhänge und dient einem geschichtspolitischen Normalisierungsprozess, in dem die besondere historische Rolle Deutschlands verwischt wird. Das Besondere des Nationalsozialismus und der Shoa verschwindet in einem sogenannten Europa der Diktaturen.
… über den Extremismus …
Was geschichtspolitisch in der Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Sozialismus verhandelt wird, findet seine Parallele in der aktuellen Extremismuskonzeption. So sollen die seit 2001 vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus laut schwarz-gelbem Koalitionsvertrag in „Extremismusbekämpfungsprogramme“ umgewandelt werden. Bekämpft werden soll demnach sowohl rechter als auch linker „Extremismus“. Aussteigerprogramme bezüglich Rechtsextremismus sollen zu „Aussteigerprogrammen Extremismus“ werden, der Fonds für Opfer rechtsextremer Gewalt zu einem Fond für Opfer des Extremismus. Es ist eine absolute Frechheit und entbehrt jeglicher Grundlage, Linke, die tagtäglich gegen Rassismus und Neonazismus kämpfen, mit Neonazis auf eine Stufe zu stellen!
Auch in Bezug auf den Naziaufmarsch im Februar fällt der offiziellen Seite nichts Besseres ein, als die Totalitarismuskeule zu schwingen: In einem Entwurf für das neue sächsische Versammlungsgesetz geht es CDU und FDP darum, „Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen zu setzen“. Geht es nach ihnen, sollen solche Versammlungen verboten werden können, die sich auf die „nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft“ beziehen.
Wir lassen uns von solchen Drohungen nicht einschüchtern. Wir werden uns weiterhin Neonazis in den Weg stellen, sei es in Dresden oder anderswo. Wir werden auch weiterhin linke Gesellschaftskritik üben. Und wir werden weiterhin sagen, dass hier gewaltig etwas schief läuft!
… hin zur Normalisierung nach Außen?
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus – diese Konsequenz von AntifaschistInnen aus der deutschen Vergangenheit erhält mit Blick auf die bundesdeutsche Realität einen besonders bitteren Beigeschmack. Seit über zehn Jahren kämpfen deutsche Soldaten nun schon wieder im Ausland für deutsche Interessen. Nach anfänglichen Verschleierungsversuchen mit dem Reden von „humanitären Einsätzen“, hat man sich in Jargon und Habitus angepasst: Es gibt sie wieder, die „gefallenen Soldaten“, Tapferkeitsmedaillen werden verliehen und Ehrenmäler errichtet. Deutschland führt wieder Krieg. PolitikerInnen von den Grünen bis zur CDU sagen ja zum Krieg in Afghanistan. Von der „Verteidigung deutscher Werte“ bis hin zum „…gerade wegen Auschwitz“ zeigen sich die Begründungen hierfür besonders facettenreich.
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus – daran hat sich für uns bis heute nichts geändert. Es ist blanker Hohn, dass der „Kampf für das Menschenrecht“ ausgerechnet mit der deutschen Vergangenheit gerechtfertigt wird. Die Lehre aus dem Nationalsozialismus kann und darf nur sein: Wir müssen alles dafür tun, dass Deutschland nie wieder Krieg führt!
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“
Auch 65 Jahre nach Kriegsende hat der Schwur der Überlebenden von Buchenwald für uns nichts an Richtigkeit verloren. Genau deshalb müssen wir den Nazis auch am 13. Februar in Dresden in aller Entschlossenheit entgegentreten. Unser Gedenken richtet sich jedoch nicht auf den 13. Februar. Die Bombardierung deutscher Städte durch die Alliierten war Folge von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und deutschem Vernichtungskrieg. Deswegen gedenken wir zum Beispiel am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, der Opfer des Nationalsozialismus. Darüber hinaus jährt sich am 8. Mai 2010 die Befreiung vom Nationalsozialismus zum 65. Mal. Diese Daten sind mehr als bloße historische Ereignisse. Hier besteht eine der letzten Möglichkeiten, mit Überlebenden des Nationalsozialismus, mit aktiven GegnerInnen und WiderstandskämpferInnen zusammenzukommen. Der Kampf gegen den Faschismus ist nicht abgewickelt, der Nationalsozialismus nicht zu Ende aufgearbeitet, als dass die Lehre aus der Vergangenheit nun einem neuen deutschen Selbstbewusstsein dienen könne. Die Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus mahnt uns zum Widerstand gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Militarismus.
Wir wissen, dass wir rechte Propaganda nur stoppen können, wenn wir eine die gesamte Gesellschaft durchdringende, offene Auseinandersetzung über die zu Grunde liegenden Werte und Ideologien führen. Wir wissen aber auch, dass wir uns erfolgreich den Nazis entgegenstellen können, wenn wir dies gemeinsam tun.
Gemeinsam blockieren!
In den vergangenen Jahren hat es immer Proteste gegen den Naziaufmarsch in Dresden gegeben. Trotzdem konnte es bislang nicht gelingen, dem Naziaufmarsch wirksam etwas entgegen zu setzen. Im letzten Jahr beteiligten sich 4000 AntifaschistInnen an einer Demonstration unter dem Motto „No pasarán!“. Doch auch hier zeigte sich, dass Polizei und Ordnungsbehörde alles daran setzen, linken antifaschistischen Protest zu verhindern und abzudrängen.
Dem setzen wir 2010 unseren vielfältigen Widerstand entgegen. Es ist gerade eine solche Vielfalt an Aktionsformen – nicht gegen-, sondern miteinander –, die gegen den Aufmarsch etwas ausrichten kann. Dafür brauchen wir ein starkes breites Bündnis all derer, die mit uns zusammen den Naziaufmarsch in Dresden blockieren!