Einer der auszog, um das Gruseln zu lehren
Gern erzähle ich euch hier die Geschichte von dem Jungen der auszog (aus Great Britain), um seine große Liebe zu finden und mich das Gruseln zu lehren:
Groß in seiner brünftigen Statur, mit schütternem Haar, einem der modernen Mode angepassten Leder- Outfit und einer schweren Goldkette um den Hals, sah ich diesen jungen Gentlemen sich schon des öfteren an der Rezeption vorbeischleichen, als er sich schließlich fragenden Blickes an mich wand. Ich bäumte mich auf und schaute zu ihm auf, um seinen güldenen Worten zu lauschen. Er eröffnete das Gespräch mit der doch recht harmlosen Frage, wo er hier denn eine Wohnung finden könne. Ich antwortete, dass er mehrere Möglichkeiten in Betracht ziehen könne, es aber am Besten sei, aufgrund der Kosten und der Annehmlichkeiten, in eine WG zu ziehen. Er brauste sogleich auf und sein Gesicht wurde künstlich verlegen: Das käme überhaupt nicht in Frage, denn er wünsche, wenn schon denn schon, allein zu wohnen, ob mir denn nichts von einer Appartement- Wohnsiedlung bekannt wäre, am Besten etwas mit internem Pool und Sauna, die Kosten spielten dabei keine Rolle (Ich dachte sofort an Marmor, Goldhähne und akorat geschnittene Hecken, um die Maschendrahtzäune zu kaschieren, die das private Gelände vor dem Pöbel abgrenzen). Er wollte, wie er mir weiter eröffnete, noch ein wenig in Dresden bleiben, um seiner deutschen Ex- Freundin nah sein zu können.
Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ahh jaaa, dachte ich leise, das ist doch der, der sich noch ein zweites Set Bettwäsche für sein großes Einzelzimmer abgeholt hatte, und ich erinnerte mich sogleich an den hübschen und sympathischen, aber sehr auffallend kurzen Frauenbesuch, der so gar nicht zu diesen wohlhabenden Zauberprinz passen wollte (Sie hatte zudem auch noch Dreadlocks, nicht gerade das erwartete Beuteschema- Wie? Die sollte etwa seine Exfreundin sein??).
Auf diese letzte Frage war ich nicht gefasst… Ich war immer noch damit beschäftigt unser alternatives und weltoffenes Hostel, sowie das doch oft hippieske und punkerhafte Neustadtviertel, mit so einer Art von Besucher zusammenzufügen. Daher vielleicht auch die leichte Gereiztheit, mit der ich nun antwortete.
Wenn er denn schon soviel Geld habe, dann solle er sich gefälligst einen Agent leisten und mich hier nicht zulöffeln, meine Zeit stehlen und sowieso… was hat er denn hier bitteschön zu suchen? Sollte er nicht in einem schönen Hotel wohnen mit bestem Blick auf die Elbflorenz? Steht es uns nicht auf die Fahne geschrieben, dass wir ein Backpacker Hostel sind? Erkennt er nicht, dass die Neustadt Kirsche nichts von ihm will? Was ist los, brauchst du so dringend einen Erben? Oder ist das hier nur deine Masche, um uns Frauenvolk zu beeindrucken???
Und tatsächlich, nachdem ich ihn noch halbwegs höflich abwürgen konnte, beobachtete er mich während meiner ganzen Schicht, und musterte mich hinter seiner Zeitung auffällig vorbei blinzelnd. Mein eindeutiges Desinteresse, als Zeichen der Liebe wertend, lief mir derweil ein eisiger kaulquappiger Schauer über den Rücken…